Leben und Arbeiten im Schatten der Grenze
Seit über 30 Jahren lebe ich als freie Journalistin in Helmstedt, in einer Region, die stark von der ehemaligen innerdeutschen Teilung geprägt ist. Die Nähe zur ehemaligen Grenze, die sich vom Todesstreifen zur Lebenslinie, dem heutigen Grünen Band, entwickelt hat, hat mein Interesse an den Menschen und den Veränderungen an ehemaligen Grenzen geweckt. 2019 wanderte ich entlang des gesamten Grünen Bandes und dokumentierte die Geschichten der Menschen, woraus das Buch „Grenzenlos – Begegnungen am Grünen Band“ entstand. Schon damals war mir bewusst, dass die ehemalige innerdeutsche Grenze – 1393 Kilometer vom Dreiländereck bei Hof bis zum Ostseestrand auf dem Priwall – Teil des sogenannten Eisernen Vorhangs war. Das war die Bezeichnung für die Trennlinie zwischen den kommunistischen Ländern im Einflussbereich der Sowjetunion und den demokratischen, eher an den USA orientierten Ländern in Europa – von der Barentssee im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden.
Erfahrungen an der deutsch-polnischen Grenze
Obwohl mich das Thema Grenzen immer mehr interessierte, wagte ich mich noch nicht an den Iron Curtain Trail, der über 10.000 Kilometer durch mehr als 20 Länder Europas führt. So widmete ich mich zunächst einen Sommer lang als Grenzgängerin bzw. Grenzradlerin der deutsch-polnischen Grenze. Auch hier konnte ich mein Interesse an Menschen, meine journalistische Arbeit und meine Leidenschaft klimaneutral unterwegs zu sein verbinden. Es entstand das Buch „Grenzraum – Begegnungen an Oder und Neiße“. Im Mittelpunkt beider Projekte standen die gemeinsame Geschichte in einem gemeinsamen Kulturraum, die unterschiedliche Erinnerungskultur und die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg.
Ein neuer Anlauf: der Iron Curtain Trail
Nach dieser Erfahrung mit dem Fahrrad wage ich mich jetzt an das große Projekt „Iron Curtain“. Angesichts der aktuellen Entwicklungen bin ich vielleicht ein paar Jahre zu spät dran. In Norwegen und Finnland werde ich nicht grenzüberschreitend und nicht grenzenlos unterwegs sein können. Interviewpartner*innen auf der russischen Seite wird es nicht geben. Denn nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine und der Bedrohung der westlichen Nachbarländer Russlands scheint sich in Teilen Europas ein neuer Eiserner Vorhang zu senken. In Finnland und Norwegen wurden die Grenzübergänge nach Russland geschlossen und die Grenzen werden gesichert. In Nordeuropa liegt das Projekt Green Belt mit seinen vielen Kontakten zwischen norwegischen und finnischen Naturschutzorganisationen und russischen Partnern auf Eis. Niemand weiß, ob es jemals wieder in Gang kommt.
Startschuss für die Reise: von Kirkenes bis zur Kurischen Nehrung
Trotzdem werde ich im Juni 2025 in Kirkenes (Norwegen) starten mit dem Ziel „Schwarzes Meer“. Meine Hauptroute wird der Iron Curtain Trail sein, der auch als Europäischer Radfernweg EuroVelo 13 bekannt ist. Doch nicht alle meine Gesprächspartner*innen werden direkt am EV 13 leben, so dass ich auch einige Umwege in Kauf nehmen werde. Mein erstes Etappenziel im Sommer 2025 ist die litauisch-russische Grenze auf der Kurischen Nehrung.