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Wildnis und nachhaltiger Tourismus

Paula ist Geschäftsfrau und Naturführerin. Sie ist Visionärin und Multitalent. Sie ist eine von neun Gesellschafter*innen des Salla Wilderness Parks, eines Unternehmens, das Aktivitäten rund um die Themen Natur und Wildnis im Nordosten Finnlands anbietet. Paula kennt die Region seit ihrer Kindheit, da sie ihre Großeltern regelmäßig in ihrem Ferienhaus in Salla besuchte. „Ich liebte diese Natur und Wildnis schon als Kind“, sagt sie. Vor 26 Jahren zog sie nach ihrem Abschluss als „Wildnis-Führerin“ nach Salla. Danach machte sie einen Master im Fach „Tourismus“ und arbeitete viele Jahre als Tourismusmanagerin bei der Stadt Salla, die heute mit dem Slogan „In the middle of nowhere“ wirbt. „Ja, an dieser Kampagne war ich auch beteiligt.“ Aufsehen erregte Salla jedoch mit einer Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2032.

 

Paula freut sich noch heute über „Salla 2032“: „Sommerspiele in einem Ort mit acht Monaten Schnee, der als der kälteste Ort Finnlands gilt – das war natürlich nicht ernst gemeint. Aber wir wollten zum einen auf den Klimawandel aufmerksam machen und zum anderen für unsere abgelegene, wilde und r wunderschöne Region werben.“ Aufmerksamkeit hat Salla auf jeden Fall erreicht: „Unsere Reichweite auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen ging in die Millionen, und wir hatten Presseanfragen aus der ganzen Welt.“ So spaßig die Kampagne auch war, das Thema ist für Paula ernst: „Die Durchschnittstemperaturen steigen hier nördlich des Polarkreises schneller als in gemäßigteren Zonen. Wir haben bereits einen Anstieg von 2,5 Grad.“ Und diese Auswirkungen spüren wir hier ganz deutlich: Das Wetter ist viel unberechenbarer, die Winter sind zwei bis drei Wochen kürzer, dafür gibt es immer häufiger extreme Schneefälle. Für die Rentiere können diese wechselhaften Winter sehr gefährlich werden. Durch die Temperaturschwankungen im Winter können sich Eisschichten in der Schneedecke bilden. Dann kommen die Rentiere nicht mehr an die Nahrung unter der Schneedecke und müssen hungern.“ Salla ist eine kleine Stadt mit etwa 3.500 Einwohnern, die direkt an der russischen Grenze liegt. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und Salla hat als kleine Stadt nicht viel Geld für Marketing. „Deshalb müssen wir kreativ sein, um auf uns unsere Anliegen aufmerksam zu machen“, erklärt Paula die Protestaktion der finnischen Gemeinde. „Klimawandel ist ein Problem, das uns alle angeht. Vielleicht kann unsere Olympiabewerbung etwas wachrütteln.“

 

Salla Wilderness Park liegt direkt am Eingang zum Salla-Nationalpark, der vor drei Jahren gegründet wurde und bis zur russischen Grenze reicht. „Wir sind aber schon seit 1996 mit unseren Angeboten für Outdoor-Tourismus hier. Jetzt beraten und informieren wir die Besucher auch, da sich das Besucherzentrum und die Naturausstellung des Salla-Nationalparks im selben Gebäude befinden.“ Die umfangreiche Ausstellung bringt den Menschen die vielfältige Natur und ihre komplexen Zusammenhänge im Nationalpark näher.

 

Paula ist bewusst, dass sie direkt am Grünen Band lebt und arbeitet. „Es reihen sich hier auf 130 Kilometer mehrere Nationalparks und Naturschutzgebiete auf beiden Seiten der Grenze aneinander. Es ist ein grüner Korridor, der angesichts des Klimawandels für Pflanzen und Tiere immer wichtiger wird.“ Sie berichtet von vielen grenzüberschreitenden Projekten mit Russland. „Wir haben zum Beispiel gemeinsam Informationstafeln erarbeitet, um auf die Bedeutung dieser riesigen Wildnis aufmerksam zu machen.“ Ein norwegischer Architekt hat „Schaufenster in die Wildnis“ entworfen. Einige davon sowie Informationstafeln und -zentren wurden in Russland, Norwegen und Finnland im Rahmen des Projekts „Phänomene der arktischen Natur“ errichtet. „Wir haben viel voneinander gelernt.“

 

Viele Jahre hätten auch russische Reisegruppen Touren in Salla gebucht. „Dieses Geschäft brach aber bereits 2014 nach der Besetzung der Krim weg. „Der Rubel verlor an Wert, so dass die Reisen für die meisten Menschenaus Russland zu teuer wurden.“

 

Als Verantwortliche und Mitinhaberin des Unternehmens Salla Wilderness Park versucht Paula Tourist*innen aus ganz Europa die Wildnis in Lappland näherzubringen. „Wir bieten im Winter Rentier- und Husky-Schlittentouren sowie Schneeschuhwanderungen und im Sommer Kanu- oder Mountainbike-Touren an. Das 1996 gegründete Unternehmen setzte von Anfang an auf Nachhaltigkeit. „Deshalb gibt es bei uns keine Touren mit Schneemobilen oder motorisierte Safaris. „Wir können aber nicht 100 Prozent nachhaltig sein, da die meisten unserer Gäste mit dem Flugzeug anreisen. Wir kompensieren das durch Spenden für Naturschutz- oder Renaturierungsprojekte.“  Dieser Einsatz für nachhaltigen Tourismus wurde mit dem Label „Sustainable Finland“ ausgezeichnet.   

 

Zum Salla Wilderness Park gehört auch eine Rentierfarm. Etwa 60 Tiere leben auf einem   200 Hektar großen eingezäunten Gebiet. „Für unsere Gäste ist das sehr wichtig, da sie hier den Tieren sehr nahekommen können.“ Auch Paula ist gerne bei den Tieren. Ein paar laute Rufe und schon kommen sie angelaufen, darunter viele kleine Kälber, die erst wenige Wochen alt sind. Paula füttert die Tiere ausnahmsweise mal zwischendurch. Rentiermanager Lars, der für die Herde verantwortlich ist, schaut kritisch, ob mit den Tieren alles in Ordnung ist.

 

In ihrer Freizeit geht Paula in die Wildnis, wo keine Touristen mehr hinkommen. „Da haben nur Einheimische kleine Hütten und genießen die Einsamkeit. Und wenn ich dann auf einen Berg gehe und bei guter Sicht 100 Kilometer weit schauen kann, weiß ich, warum ich hier lebe“, sagt Paula. „In die Stadt gehe ich nur, wenn ich muss.“ Regelmäßig ist sie zum Beispiel in Berlin auf der Internationalen Tourismusbörse, um Salla und ihr Unternehmen zu vermarkten.