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Ein Dorf der Erinnerung in der Wildnis?

Sari Alatossava hat die Idee des Grünen Bandes Europa zehn Jahre lang intensiv gelebt. Sie war in zahlreichen grenzüberschreitenden Projekten in den beiden Nationalparks Oulanka in Finnland und Paanajärvi in Russland aktiv. Beide grenzen an die finnisch-russische Grenze. „Der russische Nationalpark Paanajärvi ist viermal so groß wie unser Oulanka-Nationalpark”, erklärt Sari. Im Zentrum des russischen Nationalparks liegt der 20 Kilometer lange Paanajärvi-See mit seinen vielen fjordartigen Ausstülpungen. Rund um den See gab es früher kleine Siedlungen. Das Gebiet gehörte vor dem Zweiten Weltkrieg zu Finnland.  Während des Winterkriegs 1939/1940 mussten die Menschen ihre Häuser zum ersten Mal verlassen. Finnische Soldaten brannten sie nieder, damit sie den sowjetischen Soldaten nicht als Schutz dienten. Die Bewohner kehrten 1941 zurück und begannen, ihre Häuser wieder aufzubauen. Im Sommer 1944 mussten sie ihre Heimat jedoch ein weiteres Mal verlassen. Diesmal endgültig, da das Gebiet nun Teil der Sowjetunion war.

 

„Wir sind mit älteren Menschen, die vor dem Krieg am Paanajärvi-See lebten, in ihre alte Heimat gefahren“, erzählt Sari. „Gemeinsam mit den russischen Kolleg*innen aus dem Nationalpark fuhren wir mit dem Boot das Ufer ab, um zu sehen, wo ihre Dörfer lagen. Wir konnten die Orte noch erkennen, da der Bewuchs nicht so dicht war.“  Nach dem Krieg wurden keine neuen Siedlungen mehr so nah an der Grenze errichtet. Über Jahrzehnte haben außer Mitarbeitern der russischen Grenztruppen kaum Menschen dieses Gebiet betreten.

 

Sari zeigt Fotos von ihren Erkundungstouren durch die Region mit den ehemaligen Bewohnern. An manchen Stellen fanden sie noch die alten Feuerstellen aus Stein, die den Brand überlebt hatten. „Wir haben viele dieser Zeitzeugengespräche, die vom Leben am Paanajärvi-See vor dem Krieg erzählen, dokumentiert”, freut sich Sari. Es ist ein Schatz, denn mittlerweile leben diese Personen nicht mehr.  „Wir konnten rekonstruieren, wo welches Haus stand. Gemeinsam mit den russischen Kolleg*innen des Nationalparks und Architekten entwickelten wir Pläne, ein Dorf als Freilichtmuseum teilweise wiederaufzubauen.“ Sari zeigt Lage- und Baupläne des geplanten Museumsdorfes.

 

Die Sauna entstand im Jahr 2005. „Wir sind Finnen“, kommentiert sie diese Vorgehensweise. 2007 wurde ein ehemaliges Lagergebäude wiedererrichtet. „Und 2016 bauten die Russen das Hauptgebäude.” Sie zeigt Bilder vom großen Einweihungsfest im wachsenden Museumsdorf. Es wurden offizielle Reden gehalten und Informationstafeln aufgestellt.

 

„Seit Corona war niemand mehr von uns im Nationalpark und auf dem Gelände. Mit Beginn des Krieges im Jahr 2022 brach auch jeglicher Kontakt ab.“ Sari schweigt einen Moment. „Wir wissen nicht, wie es auf dem Gelände aussieht.“

 

„Für unser Team im Nationalpark-Büro in Kussomo war die Zusammenarbeit mit den russischen Kolleg*innen in grenzüberschreitenden Projekten ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit“, resümiert Sari. „Wir trafen uns mehrmals im Jahr. Jedes Jahr im August fuhren wir für ein paar Tage an den See, um das Grundstück zu pflegen. Für uns war das gleichzeitig eine Art Teambuilding mit viel Abenteuer. Noch heute erzählen wir im Team immer wieder von unseren Trips nach Russland.“ Dazu gehört auch die Geschichte vom Transport des Saunaofens in die neu gebaute Sauna. „Die russischen Grenzbeamten waren wohl etwas überrascht.“

 

„In den vergangenen Jahren haben wir in zahlreichen EU-Projekten mit russischen Partnern zusammengearbeitet. Es sind Veröffentlichungen und Dokumentationen über beide Parks entstanden, Wege wurden markiert und Informationstafeln aufgestellt. „Die Zusammenarbeit ging jedoch weit über unsere beiden Nationalparks hinaus. Wir vernetzten uns mit anderen Nationalparks in Russland. Wir hatten internationale Gäste. Es gab Treffen zum Thema grenzüberschreitender Naturschutz.“ Und all das war von einem Tag auf den anderen vorbei.

Ich hatte immer den Traum, durch die beiden Nationalparks über die Grenze zu wandern. Dann schwärmte Sari von dem Paanajärvi-Nationalpark in Russland. „Das ist wirklich Wildnis und noch einmal ganz anders als unser kleiner finnischer Nationalpark.“ Sie ist doch ein bisschen optimistisch, denn auch während des Kalten Krieges gab es im Bereich Naturschutz Kooperationen mit der Sowjetunion. „Wir werden sehen, ob diese Kooperation irgendwann wieder aufgenommen werden kann.“ Das wäre ein gutes Zeichen für das Grüne Band Fennoskandien, den nördlichsten Abschnitt des Europäischen G