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Neues Leben in der Grenzkirche

Die kleine Kirche in Vuokki liegt idyllisch auf einer Halbinsel im riesigen Vuokkijärvi-See mit einer Länge von 30 Kilometern. „Es ist unsere Dorfkirche, die 1954 auf Initiative der Menschen in Vuokki gebaut wurde“, erklärt die 66-jährige Kirsti Pyhalvoto-Keranen an einem großen Tisch im direkt an das Kirchenschiff anschließenden Gemeinderaum.  „Wir nennen sie Grenzkirche, da sie nur etwa 15 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt ist.“  Als die Kirche gebaut wurde, lebten in dem Dorf etwa 500 Menschen, heute sind es noch etwa 200 einschließlich der Menschen in den vielen kleinen Dörfern. In dem Dorf Ala-Vuokko, in dem sich die Kirche befindet, leben 23 Menschen ganzjährig. Dazu kommen noch etwa 50 Sommerferienhäuser.

 

Die Kirche wurde von den Dorfbewohnern selbst gebaut und 1954 an die Kirchengemeinde von Suomussalmi übergeben. Der Kirche wurde es zu teuer, das Gebäude zu unterhalten, und im Jahr 2020 wurde bekannt, dass die Kirche verkauft werden sollte. Das wollten die Menschen in Vuokki aber nicht. Sie gründeten deshalb 2021 den Verein „Grenzkirche Vuokki“, um sich selbst um die Kirche zu kümmern und das Gebäude mit Leben zu erfüllen. „Wir bekamen das Gebäude umsonst, müssen uns seitdem aber selbst darum kümmern“, so Kirsti. „Im Moment hat der Verein 137 Mitglieder, die ihren monatlichen Mitgliedsbeitrag zahlen“, ergänzt der 74-jährige Ilmari Schepel. „Wir haben auch Mitglieder, die gar nicht mehr hier leben, aber die Kirche ihrer Kindheit zumindest finanziell unterstützen.“  Zusätzliche Einnahmen hat der Verein zum Beispiel durch die Vermietung der Räume für Familienfeiern wie Geburtstage oder Hochzeiten sowie durch eigene Veranstaltungen beispielsweise Konzerte. „Bei solchen Events bieten wir Essen und Getränke zum Verkauf an“, sagt Kirsti. Zur Kirche gehört eine kleine Wohnung, die früher von einer Gemeindeschwester genutzt wurde. „Jetzt vermieten wir sie als Gästewohnung.“ Der Verein betreibt außerdem einen kleinen Laden mit lokalen Produkten und Fotokalendern, die Motive rund um die Kirche zeigen.

 

„Finanziell kommen wir gut über die Runden“, fasst Ilmari zusammen. „Das funktioniert aber nur, weil wir so viele freiwillige Helfer und Helferinnen haben, die ihre unterschiedlichen Talente und ihr Know-how einbringen.“ Er schätzt den harten Kern der Aktiven auf etwa zehn Personen. Sie renovieren, kochen Kaffee, bereiten die Wohnung für Gäste vor, suchen nach Künstler*innen oder organisieren Begegnungen für die Menschen im Ort. Für Kirsti ist es wichtig zu betonen, dass die Kirche offen für alle Menschen und Glaubensrichtungen ist.

 

Die Kirche als Treffpunkt für die Menschen in Vuokki zu erhalten, ist für die aktiven Vereinsmitglieder der Hauptgrund für ihr Engagement. Dazu muss man wissen, dass das Dorf mit seinen 200 Einwohner*innen sich über ein Gebiet mit etwa 30 Kilometer Durchmesser erstreckt. Man trifft seine Nachbarn selten zufällig, sondern braucht Orte, um das Dorfleben aktiv zu gestalten. „Für die Gemeinschaft in Vuokki wirkt sich das Kirchenprojekt positiv aus. Es gibt wirklich ein Gemeinschaftsgefühl hier.“

 

Einmal im Monat findet in der Grenzkirche auch ein Gottesdienst statt. „Zu den Aktiven im Verein gehört ein pensionierter Pfarrer“, erklärt Ilmari.  Während der Sommermonate ist die Kirche täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Menschen können einfach hineingehen und einen Moment verweilen. „Von uns muss keiner anwesend sein, die Tür steht einfach offen. Aus den Einträgen im Gästebuch wissen wir, dass das gut ankommt“, erzählt Kirsti.

 

In Finnland ist dieses Beispiel für gemeinschaftliches Engagement zum Erhalt von Kirchen noch eine Ausnahme. Meist sind es Privatleute, die die Kirchen kaufen und dann nach einer neuen Nutzung suchen.

 

Die meisten, die sich im Verein engagieren, sind im Ruhestand. Noch sind sie alle fit und können sich einbringen. Aber was ist in einigen Jahren? „Darauf haben wir keine Antwort“, so Ilmar. „Für uns ist es gut, und wir machen so lange weiter, wie wir können.“ Immerhin gibt es eine junge Familie mit Kindern in Vuokki. „Es könnten mehr sein, aber es ist für junge Familien schwer, ein Haus zu finden“, weiß Kirsti. Viele Häuser stehen das ganze Jahr über leer und werden höchstens zwei Wochen im Sommer genutzt. Aber die Menschen wollen sie aus Tradition nicht verkaufen. „Für Familien in Vuokki ist es gar nicht so schlecht, denn wir haben immerhin noch einen Laden und ein aktives Dorfleben“, ergänzt Ilmari. Für die Kirche und den Dorftreffpunkt gibt es nach den Worten von Kirsti doch etwas Hoffnung: „Es gibt immer wieder Menschen, die nach ihrem aktiven Berufsleben aus Süd-Finnland wegen der schönen Natur und der guten Lebensbedingungen in die Region zurückziehen. Die sind dann jünger als wir und können unsere Arbeit weiterführen.“