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Grenzzaun statt Grünes Band

 

Beim Anblick des neuen Grenzzaunes beim geschlossenen Grenzübergang vom finnischen Vartius in das russische Lyttä klingt der Name meines Projektes „ironcurtain2greenbelt“ ironisch. In dem schier endlosen Wald im finnisch-russischen Grenzgebiet wurde eine neue Schneise geschlagen, um Platz für einen Fahrweg und einen etwa fünf Meter hohen Metallzaun mit spiralförmig aufgewickeltem Stacheldraht zu haben. „Der Zaun ist erst ein paar Tage alt und auch für uns noch neu. Bis letztes Jahr standen hier noch Bäume, wie auf der russischen Seite“, erklärt Jouko Kinnunen. Er leitet die Grenzschutzstation Vartius, eine von fünf Grenzstationen in der Region Kainuu an der finnisch-russischen Grenze. „Wir sind für etwa 60 Kilometer Grenze verantwortlich.“ Wie lang der Zaun hier genau ist, erfahre ich nicht. Die offiziellen Aussagen lauten „Mehrere Kilometer“ und „im Südosten Finnlands sind die längsten Abschnitte mit Grenzzaun“. Geplant seien insgesamt 200 Kilometer Grenzzaun entlang der 1340 Kilometer langen finnisch-russischen Grenze zu bauen.

 

Der Leiter der Grenzschutzstation und sein Kollege, Senior Border Guard (er möchte nicht, dass sein Name veröffentlich wird), stellen klar, dass der Zaun allein nicht ausreicht. „Es ist viel Technik im Einsatz, damit die Grenzüberwachung effektiv ist. Und wir brauchen auch Menschen und Hunde für unsere Arbeit.“

 

Die Grenzübergangsstelle wurde für den internationalen Verkehr 1992 eröffnet. „Im Schnitt nutzten etwa 300 000 Personen jährlich diesen Grenzübergang. In den Jahren 2001 und 2002 waren es sogar eine halbe Million Menschen“, berichtet der Mitarbeiter des finnischen Grenzschutzes (Rajavartiolaitos). Seit Ende 2023 ist der Grenzübergang komplett geschlossen. Es verkehren auch keine Güterzüge mehr. „Wir wissen nicht, wann dieser Grenzübergang wieder geöffnet wird. Wahrscheinlich weiß es niemand“, gibt er zu Bedenken.

 

Das finnische Parlament hat ein temporäres Gesetz verabschiedet, nach dem Grenzschützer bis 2026 auch Asylsuchende an den Grenzen zurückschicken können. Begründet wurde das Gesetz mit der hybriden Kriegsführung Russlands, unter anderen die instrumentalisierte Migration. „Es ist ein hartes Gesetz“, kommentiert der Leiter der Grenzschutzstation. „Wir machen alles im Vorfeld, dass wir es nicht anwenden müssen. Aber wir sind darauf vorbereitet.“

 

Direkt an der Grenze, über der Straße, wo bis vor 1,5 Jahren noch Fahrzeuge fuhren, ist jetzt ein stabiles Stahltor im Zaun. Auf der anderen Seite patrouilliert ein russischer Grenzschutzbeamte. Jouko Kinnunen zeigt ein kleines Tor neben dem großen. „Das ist für Fußgänger und wir nutzen es, wenn wir uns mit den russischen Kollegen treffen. „Das passiert ein paar Mal im Jahr. Wir beschreiben die aktuelle Grenzsituation, diskutieren unsere Grenzvereinbarungen und wie wir mit Grenzübertritten von Rentieren, Hunden oder Menschen umgehen.“ Ein wichtiges Kommunikationsmittel zwischen den Grenzschutzbehörden ist das Fax. Es gibt schätzungsweise 200 Fax pro Jahr zwischen den beiden Behörden.

 

Die Grenze zwischen Finnland und Russland in der Region Kainuu mit über 400 Kilometern Länge ist eine alte Grenze von 1595. Während sie in anderen Regionen Finnlands immer mal wieder verschoben wurde, blieb sie hier über die Jahrhunderte unverändert. Deshalb gibt es auch keine Grenzsäulen und nur an wenigen Stellen – meist, wenn die Grenze einen Knick macht – alte Steinmarkierungen, die teilweise auch 430 Jahre alt sind.

 

Es ist nur noch mit einer bestimmten Erlaubnis möglich, direkt an die 1340 Kilometer lange Finnisch-russischen Grenze zu gehen. „Es gibt auf finnischer Seite eine Grenzschutzzone, die je nach Gelände bis zu drei Kilometer breit ist“, erklärt Jouko Kinnunen. Schilder und Schranken weisen darauf hin. „Wer sich nicht an die Vorgaben hält, muss mit einer Geldstrafe rechnen“, ergänzt Senior Border Guard.

 

„Besonders riskante Grenzabschnitte gehen wir täglich ab, weniger riskante zwei oder dreimal in der Woche bzw. so oft wie es eben nötig ist, um sicherzustellen, dass nichts passiert.“ Wir gehen zu Fuß, teilweise mit speziell ausgebildeten Hunden, nutzen aber auch Autos, Schneemobile, Skier, Hubschrauber und Drohnen.“ Außerdem sei direkt an der Grenze und im gesamten Grenzgebiet viel und sehr unterschiedliche Technik im Einsatz, so dass Auffälligkeiten sehr früh registriert werden. Der Leiter der Grenzschutzstation meint, dass ich davon ausgehen müsste, dass meine Tour mit dem Fahrrad schon lange vorher bemerkt wurde, bevor ich das Tor des geschlossenen Grenzübergangs erreichte. Unterstützung bekommt die Grenztruppe auch von den wenigen Menschen, die in der Grenzregion leben bzw. Wochenendhäuser haben. „Auch sie melden Auffälligkeiten an uns. Bis etwa 50 Kilometer in das Landesinnere hinein bekommen wir Informationen.“ Ihre Hauptaufgabe beschreiben die beiden Mitarbeiter der Grenzschutzbehörde mit folgenden Worten: „Wir stellen sicher, dass alles in Ordnung ist. Wenn wir nichts als Wälder und Seen sehen, ist alles gut.“

 

Senior Border Guard ist gleichzeitig Hundeführer. Er hat seinen eigenen Schäferhund, den er mit zum Dienst bringt. Die wichtigste Aufgabe der Hunde sei es, menschliche Spuren zu finden und das möglichst auch noch nach 20 Stunden. Der Mann liebt seinen Job. „Für mich ist es die beste Arbeit, die ich mir vorstellen kann. Ich bin gerne im Wald unterwegs und bin gerne mit meinem Hund zusammen. Und ich wollte unbedingt in meiner Heimat rund um Kuhmo bleiben. Und so viele Arbeitsmöglichkeiten gibt es hier nicht“, fasst er seine Motivation zusammen.

 

Probleme neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Grenztruppen zu finden, gibt es laut den beiden Kollegen des finnischen Grenzschutzes nicht. „Jedes Jahr gibt es etwa 800 Bewerbungen für 100 Plätze an der Akademie für Grenzschutz in Imatra in Südostfinnland.“ Die Arbeit der Grenztruppen genießt besonders im Osten Finnlands hohe Anerkennung. „Die Menschen vertrauen uns und dem System. Und wir geben unser Bestes.“