Alles begann mit einem Brief eines 21-Jährigen finnischen Cellisten 1970. Er träumte davon, dass die beste Musik der Welt an schönen Orten weit weg von großen und lauten Städten gespielt wird. Der junge Musiker fragte bei mehreren kleinen Orten an, ob sie Interesse hätten, ein Festival zu organisieren. Er garantierte, dass die beste Musik von den besten Künstler*innen erklingen würde. Es kam nur eine Antwort, und zwar aus Kuhmo, von einem Musikverein, der sich wenige Jahre vorher gegründet hatte und bereits Konzerte organisierte. Wenige Wochen später reisten die ersten Musiker an.
Mit Begeisterung erzählt Sari Rusanen, Geschäftsführerin des Festivals von der Erfolgsgeschichte des Festivals. Es begann mit 13 Musiker*innen und neun Konzerten. „Im allerersten Konzert saßen acht Menschen in der Kirche.“ Doch Kuhmo hat sich nicht entmutigen lassen. Das 55. Kuhmo Chamber Music Festival startet in wenigen Wochen. „Heute sind wir bei 100 Konzerten, 100 internationalen Künstler*innen, 100 Musikstudierende, die Meisterkurse belegen, und etwa 8000 Gäste, die im Schnitt sechs Tage bleiben“, fasst Sari zusammen.
Dieses Festival hat die Kleinstadt in der Mitte Finnlands an der russischen Grenze, umgeben von unendlichen Seen und Wäldern verändert. „Wir haben eine Musikschule, ein Konzerthaus, einen Konzertpavillon, das Informationszentrum Juminkeko rund um das finnische Nationalepos Kalevala und mittlerweile mehrere Festivals“, zählt Sari auf. „Aber es ist noch viel mehr. Es leben viele Künstler in Kuhmo, viele haben Kultur als Hobby entdeckt, es gibt Restaurant und Cafés.“ Das alles gäbe es ohne das Festival nicht.
In diesem Jahr steht die Großveranstaltung unter dem Motto „Nordische Utopie“. Im Fokus stehen der nordische Lebensstil, die Mentalitäten und kulturellen Eigenarten. Es geht aber auch um kulturelle Brücken zwischen Nord- und Mitteleuropa und in die Welt. In einem Konzert „All Roads Lead to Leipzig“ wird der Austausch zwischen skandinavischen Komponisten und dem musikalischen Zentrum Leipzig im 19. Jahrhundert thematisiert. „Mit zahlreichen Uraufführungen und Kompositionen für dieses Festival gehen von Kuhmo auch wichtige Impulse in die Musikwelt.“
Sari kommt aus der Stadt und arbeitet seit 1990 mit Leidenschaft und Begeisterung im Festivalbüro. Wir haben dauerhaft sieben Mitarbeitende, während des Festivals haben wir ein Team von 250 Personen. Dazu kommen noch viele Freiwillige aus dem Ort selbst. „Das ist wichtig, damit sich die Gäste wohl fühlen und merken, es ist unser Festival.“ Da es in Kuhmo gar nicht so viele Hotels und Übernachtungsmöglichkeiten für Musiker*innen und Gäste gibt, stellen viele auch ihre Häuser während dieser Zeit zur Verfügung.“
Das Festival versucht auch immer die Beziehung zur Natur herzustellen. „Wir leben hier in einer der schönsten Regionen Finnlands und deshalb ist die Natur Bestandteil des Festivals“, so Sari. „Und unseren Gästen empfehlen wir: Genießt die Musik und die Natur. Es ist eine wunderbare Symbiose.“
Wer sich keine Zeit für Ausflüge in die Natur nimmt, kann zumindest etwas davon im Konzertsaal im Kulturzentrum erleben. Anu Varis, Managerin des Gebäudes, zeigt stolz den komplett mit Holz vertäfelten Saal mit 668 Sitzplätzen. Das rötlich-warme Holz stammt aus den Nadelwäldern der Umgebung. Die wellenartige Struktur der Vertäfelung ist nicht nur optisch ein Genuss, sondern trägt auch maßgeblich zur Akustik bei. „Wir können die Rundungen so verändern, dass das Klangbild zur jeweiligen Nutzung passt“, erklärt Anu Varis. Doch damit nicht genug: Selbst der Sternenhimmel lässt sich während eines Konzertes an der Decke studieren. Und dann weist Anu Varis darauf hin, dass der deutsche Skispringer Jens Weißflog von dem Konzertsaal so begeistert war, dass er eine Patenschaft für einen der Sitze übernahm.
Und noch etwas, ist vielleicht einzigartig: Vor dem Festivalbüro stehen etwa 100 Fahrräder. Alle haben Namen von Komponist*innen. „Die sind für unsere Musiker, damit sie vor Ort flexibel sind“, erklärt Sari. „Die sind hier sehr beschäftigt, da sie nicht nur Konzerte geben und proben, sondern auch unterrichten.“ Wenn Menschen auf Fahrrädern mit Musikinstrumenten auf dem Rücken in Kuhmo unterwegs ist, dann ist Festivalzeit.
Fotos:
1 Kuhmo cellists, Foto: Stefan Bremer
2 Sari Rusanen, Foto: Stefan Bremer
3 Artistic Directors Antti Tikkanen and Minna Pensola, Foto: Stefan Bremer
4 Konzertsaal, Kuhmo Arts Centre, Foto: Stefan Bremer
5 Sari Rusanen und Anu Varis, Foto: Beatrix Flatt
6 Festivalfahrräder, Foto: Beatrix Flatt