Die Geschichte der Kleinstadt Kybertai begann mit der Eisenbahn. Im 19. Jahrhundert wurde eine Zweigstrecke der Eisenbahnlinie St. Petersburg-Warschau zur Grenze zwischen dem Königreich Preußen und dem russischen Reich nach Kybartai gebaut. Somit entstand eine Verbindung der preußischen Ostbahn mit dem russischen Eisenbahnnetz. Hier trafen die russische Breitspurbahn und die Normalspur aufeinander. Dies machte den 1861 eröffneten Bahnhof zu einem wichtigen Umschlagplatz, an dem Güter von einem Zug auf den anderen umgeladen werden und Passagiere umsteigen mussten. Die Stadt Kybartai blühte als wichtiger Handels- und Verkehrsknotenpunkt auf.
Kybartai ist heute immer noch Grenzbahnhof, und zwar zwischen Litauen und der russischen Exklave Kaliningrad. Der Schienenverkehr, der über Belarus und Litauen verläuft, ist für Russland von entscheidender Bedeutung, da es keinen Landweg unter eigener Kontrolle gibt, der Kaliningrad mit dem russischen Kernland verbindet.
Heute gibt es am Grenzübergang Kybartai keine unterschiedlichen Spurbreiten mehr. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte die Sowjetunion das Schienennetz im heutigen Kaliningrad ebenfalls auf russische Breitspur um. Dennoch bleibt der Bahnhof ein wichtiger Kontrollpunkt zwischen Russland und der EU. Der Bahnhof selbst ist nicht mehr zugänglich; große Tore und Stacheldraht sichern das Gelände. Eine Fußgängerbrücke ermöglicht es den Einwohnern, die Gleisanlagen zu überqueren, um in den anderen Teil der Stadt zu gelangen. Passagieren ist es an litauischen Bahnhöfen wie Kybartai nicht mehr gestattet, aus- oder einzusteigen. Die litauische Grenzschutzbehörde führt strenge Sicherheits-, Pass- und Güterkontrollen durch, insbesondere bei Waren, die unter EU-Sanktionen fallen.
Edita Markauskienė, Geschäftsführerin eines Familienunternehmens, hat ganz in der Nähe des Bahnhofs ein Restaurant und ein Hotel. „Wir sind über diese Grenzanlagen hier mitten in der Stadt nicht glücklich. Aber wir fühlen uns aufgrund der guten Arbeit der Grenzschutzbeamten sicher", erklärt sie. Allerdings habe ihr Geschäft nicht unter den Reisebeschränkungen für russische Bürger gelitten, da es immer noch russische Touristen gebe.
Die Arbeitsmöglichkeiten in Kybartai sind begrenzt, so Edita. Ihre Eltern haben vor über 30 Jahren ein Unternehmen gegründet. „Das führe ich jetzt mit meinem Bruder weiter. Angefangen hat der Betrieb mit Fleischhandel und Produktion von Wurstwaren.“ Heute gehören ein Restaurant, ein Café, ein Hotel und eine Pension zum Unternehmen. „Mittlerweile haben wir 25 Mitarbeitende“, sagt die Geschäftsfrau mit etwas Stolz. „Der Betrieb muss sich immer weiterentwickeln und der Nachfrage und den Bedürfnissen der Kunden anpassen.“ Edita erzählt, dass sie immer neue Ideen haben, wie der Betrieb sich in Kybartai weiterentwickeln kann.
Trotz aller Herausforderungen birgt die Grenznähe auch Vorteile für ihr Geschäft. Edita Markauskienė verweist auf die vielen Grenzarbeiter als wichtige Kunden und fügt hinzu: "Und im Moment sind etwa 20 Mitarbeitende der EU-Grenzschutzagentur Frontex in Kybartai, die in unserem Hotel wohnen und essen."